Station 18
Der Sensationserfolg vom 21. Mai 2000
Das Luzerner Bildungsdepartement und die universitäre Hochschule Luzern erarbeiteten gemeinsam eine massvolle Abstimmungsvorlage, die von der Regierung und auch vom Kantonsparlament gutgeheissen wurde: Sie sah eine kleine Universität vor mit drei Fakultäten für Theologie, Geisteswissenschaften und Recht.
Anschliessend warb der neue FDP-Bildungsdirektor Dr. Ulrich Fässler engagiert und überzeugend bei der Luzerner Bevölkerung für das Universitätsprojekt.
Näheres zum Sensationserfolg vom 21. Mai 2000 erfahren Sie im Audiobeitrag oder im vollständigen Text "Der Sensationserfolg vom 21. Mai 2000".
Station 18
Audio herunterladenDie Volksabstimmung über das Universitätsgesetz setzte der Regierungsrat auf den 21. Mai 2000 an. Mit dem Gesetz sollte die Universitäre Hochschule bis ins Jahr 2005 zu einer Universität mit drei Fakultäten ausgebaut werden. Die Theologische Fakultät sollte ungeschmälert erhalten bleiben, die Geisteswissenschaftliche Fakultät mit dem Fach Soziologie ergänzt und eine neue Fakultät für Rechtswissenschaften gegründet werden. Im Vorfeld des Urnengangs war die Nervosität an der Universitären Hochschule mit Händen zu greifen. Bei einem Nein des Souveräns wären die bestehenden Fakultäten dicht gemacht worden und damit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Job los gewesen. Umso grösser waren an diesem strahlenden Maitag die Freude und Erleichterung, als die Stimmberechtigten der Universitätsvorlage mit über 72 Prozent zustimmten. Alle fünf Ämter und 106 der 107 Gemeinden sagten Ja, die Städte und grösseren Orte genauso wie die Dörfer der Landschaft. Die Stimmbeteiligung lag bei überdurchschnittlichen 53 Prozent. Das war ein Ergebnis, das in dieser Eindeutigkeit von niemandem erwartet worden war, ein Sensationserfolg und historischer Durchbruch zugleich.
Nach 400 Jahren höherer Bildung und vier gescheiterten Versuchen hatte Luzern endlich seine eigene Universität – und das durch eine Weltpremiere. Wie keine andere Universität trat sie über einen demokratischen Volksentscheid ins Leben. Dieser Erfolg besass viele Väter und Mütter. Entscheidend war sicher, dass alle massgeblichen Parteien und Kräfte im Kanton am gleichen Strang zogen. Dass die massvolle Vorlage von den Verantwortlichen in Politik und Hochschule nach allen Regeln der Kunst auf den Weg gebracht worden war, half ausserdem. Es fügte sich glücklich, dass mit Dr. Ulrich Fässler erstmals seit 1871 wieder ein Freisinniger an der Spitze des federführenden Bildungsdepartements stand. Im Kanton Luzern, in dem der Weltanschauungskonflikt des 19. Jahrhunderts – katholisch-konservativ gegen freisinnig - besonders lange nachwirkte, holte dieser durchsetzungsstarke Regierungsrat nun auch die historischen Gegner der ehemaligen Mehrheitspartei CVP mit ins Boot. Er sprach überdies eine Sprache, die auf der Landschaft verstanden wurde.
Am 1. Oktober 2000 war es schliesslich soweit: Die Universität Luzern öffnete unter Gründungsrektor Walter Kirchschläger die Tore. Die drei Fakultäten mussten nun zum Fliegen gebracht und der gewährte Vertrauensvorschuss gerechtfertigt werden. Das gelang innerhalb kürzester Zeit. Sensationell startete die neue Fakultät für Rechtswissenschaften. Unter der Leitung von Gründungsdekan Paul Richli, der vor seinem Wechsel nach Luzern als Prorektor an der Universität Basel gewirkt hatte, wurde sie ins Werk gesetzt. Schon am 1. Oktober 2001 nahm sie ihre Arbeit auf. Von Anfang an fand sie breiten Zuspruch unter Studierenden. Aber auch die beiden bestehenden Fakultäten entwickelten sich in eindrücklicher Weise weiter. An der forschungsstarken Geisteswissenschaftlichen Fakultät konnte das Fächerangebot erweitert werden. Hier erwiesen sich die durch Bologna-Reform ermöglichten integrierten Studiengänge Sozial- und Kommunikationswissenschaften und Kulturwissenschaften als Magnete. Und auch die Theologische Fakultät machte durch ihre offene Ausrichtung und attraktive Studienangebote stärker als zuvor von sich reden. Schon nach wenigen Jahren übertrafen die Studierendenzahlen an der Alma mater lucernensis jedenfalls die Zielvorgaben deutlich, so dass immer mehr Säle in der Stadt hinzu gemietet werden mussten. Dies war der beste Beleg dafür, dass die neue Institution einem gesellschaftlichen Bedürfnis entsprach. Kurz, es war eine attraktive Bildungsinstitution entstanden, die sich nachhaltig positiv auf Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft der Region Zentralschweiz auswirkte.
Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten weit entscheidender war, dass sich die Universität durch überzeugende Berufungen und innovative Forschungsprojekte rasch als eigenständiger Player in der Universitätslandschaft des deutschsprachigen Raums etablierte. Ein Coup gelang ihr bereits im Wintersemester 2000/01, als sie den weltbekannten Philosophen Jürgen Habermas für eine dreiwöchige Gastprofessur verpflichtete. Der Star der deutschen Philosophie wusste sein Publikum, das auch aus anderen Regionen der Schweiz anreiste, zu begeistern. 2002 kehrte Habermas an die kleine, aber feine Universität zurück, um als Referent und Diskutant an einer internationalen Tagung über "Intoleranz im Zeitalter der Revolutionen 1770-1848" teilzunehmen. Habermas verlieh der jungen Universität wichtige interdisziplinäre Impulse. Doch das war nur der Anfang. Etliche weitere akademische Highlights folgten in den darauffolgenden Jahren.
