Station 2
Der Jesuitenorden im Zeitalter der Glaubensspaltung
Der Rundweg beginnt vor der Jesuitenkirche Luzern. Sie ist die älteste Barockkirche der Schweiz, wurde im Jahr 1677 errichtet und ist dem heiligen Franz Xaver gewidmet, dem Mitbegründer des Jesuitenordens.
Achten Sie auf das Figurenensemble über dem Haupteingang. Es zeigt den Jesuitenpater Franz Xaver und einen zum Christentum bekehrten Indianer.
Näheres dazu erfahren Sie im Audiobeitrag oder im vollständigen Text "Der Jesuitenorden im Zeitalter der Glaubensspaltung".
Unser Rundweg beginnt nicht zufällig vor der ältesten Barockkirche der Schweiz: der 1677 nach weniger als elf Jahren Bauzeit fertiggestellten Jesuitenkirche St. Franz Xaver. Wenn Sie an der imposanten Fassade des Gotteshauses emporblicken, können Sie gleich oberhalb des Haupteingangs ein symbolisch bedeutsames Figurenensemble erkennen. Es zeigt einen erfolgreich bekehrten Indianer, der verzückt vor einem überdimensionierten christlichen Missionar kniet, welcher in seiner rechten Hand ein mächtiges Kreuz gegen den Himmel hält. Die Szene hält den Triumph des Glaubens über den vermeintlichen Unglauben fest. Beim Missionar handelt es sich um den Jesuitenpater Franz Xaver, Sprössling einer baskischen Adelsfamilie, der eigentlich Francisco Javier de Jassú y Azpilcueta (1506-1552) hiess. Zusammen mit Ignatius von Loyola war es dieser Franz Xaver, der 1534 in Rom die "Gesellschaft Jesu", den Jesuitenorden, ins Leben rief. Nach der Reformation, die das Christentum in Europa in mehrere Konfessionen gespaltet hatte, vertrat der Orden nicht nur eine kompromisslose Lesart des Katholizismus, sondern trat auch als intellektuelle Speerspitze im Kampf gegen den Protestantismus auf. So wollten die Jesuiten im Dienst des Papstes zur Verteidigung, Festigung und Ausbreitung des katholischen Glaubens beitragen – in Europa genauso wie in den überseeischen Kolonien der katholischen Mächte Spanien, Portugal und Frankreich.
Neben der Mission in Asien und in den Amerikas, dem "Seelenfischen unter den Ungläubigen und den Wilden", wie es in der Zeit selber genannt wurde, engagierten sich die Jesuiten vor allem als Lehrer und Professoren im höheren Bildungswesen. Tatsächlich entstanden nach dem Konzil von Trient (1545-1563) in ganz Europa Dutzende von jesuitisch geführten Bildungsanstalten. 1640 unterhielt der Orden weit über 500 Kollegien und 24 Universitäten. Eines dieser Kollegien entstand 1577 auch in der Stadt Luzern, innerhalb deren Stadtmauern damals bloss 4'000 Einwohnerinnen und Einwohner lebten. Auf Initiative des Mailänder Kardinals Carlo Borromeo und des mächtigen Luzerner Schultheissen Ludwig Pfyffer sollten die Jesuiten mithelfen, die Stadt Luzern und die von ihr beherrschten Untertanengebiete als Bollwerk des alten Glaubens zu erhalten. Seither dominierten jesuitische Lehrinhalte das Kollegium fast zweihundert Jahre lang. Wie stark das damalige Luzern im Bann der Jesuiten stand, lässt sich daran erkennen, dass es sich den 1622 von Papst Gregor XVI. heiliggesprochenen Franz Xaver nicht nur zum Namenspatron der Jesuitenkirche erkor. 1654 erwählte ihn der Rat auch gleich zum Schutzpatron von Stadt und Land Luzern – ungeachtet dessen, dass der baskische Jesuit nie nur einen Fuss auf Innerschweizer Boden gesetzt hatte.