Station 17
Der Aufbruch in den 1990er-Jahren
Nach der verlorenen Universitätsabstimmung von 1978 baute die Theologische Fakultät Luzern ihr Angebot sukzessive aus. 1993 wurde sie erweitert mit einer kleinen Geisteswissenschaftlichen Fakultät und zur universitären Hochschule umbenannt.
Die Wortführerin der Uni-Befürworter in den 1990er-Jahren war die Luzerner CVP-Bildungsdirektorin Brigitte Mürner-Gilli. Sie war bestrebt, das Uni-Projekt als logischen Ausbauschritt im regionalen und nationalen Bildungsangebot darzustellen. Es gelang ihr, auch Verbündete in liberalen Kreisen zu gewinnen und eine einflussreiche Lobby für die Uni-Idee auszubauen.
Allerdings wäre wegen Spargründen des Kantons die universitäre Hochschule 1997 beinahe wieder geschlossen worden.
Warum es nicht dazu kam, erfahren Sie im Audiobeitrag oder im vollständigen Text "Der Aufbruch in den 1990er-Jahren".
Zur Wortführerin der Uni-Befürworter wurde in den 1990er-Jahren Brigitte Mürner-Gilli. Die Littauer Musikschulleiterin und CVP-Kantonsrätin wurde 1987 in den Regierungsrat gewählt und übernahm dort das Erziehungsdepartement. Aus ihrem Ja zur Uni machte Mürner nie ein Geheimnis. Aus der Niederlage von 1978 hatte sie den Schluss gezogen, dass eine Universität in Luzern nur eine Chance haben konnte, wenn ein neues "Universitätsprojekt zum Ziel aller einflussreichen Kräfte im Kanton Luzern" wird. Im Klartext hiess das: Das ambitiöse Projekt musste von den politischen Altlasten des luzernischen Kulturkampfs und damit vom Ruch einer konfessionell geprägten Hochschule befreit werden. Gleichzeitig war Brigitte Mürner bestrebt, das Uni-Projekt als logischen Ausbauschritt im regionalen und nationalen Bildungsangebot darzustellen. Behutsam, aber zielstrebig trieb sie das Projekt voran. Sie fand Verbündete in und ausserhalb der Hochschule.
Die Theologische Fakultät baute ab 1981 ihr Studienangebot sukzessive aus: Das Institut für Sozialethik und das Institut für Jüdisch-Christliche Forschung, später das Philosophische Institut wurden gegründet und diesem schliesslich 1989 ein Lehrstuhl für Geschichte angegliedert. Damit bot die Theologische Fakultät erstmals in ihrem 400-jährigen Bestehen ein Fach an, das nichts mit der Theologie zu tun hatte. Eine treibende Kraft hinter diesem sich inhaltlich öffnenden Angebotsfächer war Professor Walter Kirchschläger. Er trat 1990 seine erste Amtszeit als Rektor der Theologischen Fakultät an. Sein Ziel war der Aufbau einer zweiten, einer Geisteswissenschaftlichen Fakultät.
Es herrschte wieder Aufbruchstimmung rund um die Idee einer Universität Luzern. Das nützte Peter Schulz, der Direktor des Medienausbildungszentrums MAZ in Horw, um die Uni-Idee voranzutreiben. Die Zeit war günstig: In der Schweiz stand das Jubiläumsjahr 1991 – 700 Jahre Eidgenossenschaft – an, und in weiten Kreisen war man der Meinung, das sei eine günstige Gelegenheit. Peter Schulz hatte eine Idee und klopfte damit bei der Erziehungsdirektorin an. Zum Jubiläum sollte in Luzern eine "Sommerakademie" ins Leben gerufen werden. Nach einem ersten "Brainstorming" in der Villa Krämerstein in Horw, dem Standort des Medienausbildungszentrums, wurde die Idee einer hochkarätig zusammengesetzten Arbeitsgruppe konkretisiert. Mit an Bord waren die Stabschefs der Bildungsdirektionen von Stadt und Kanton Luzern, Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft, aus Politik und Publizistik. Ende Oktober 1989 konnte Peter Schulz den Projektbeschrieb der "Akademie 91" vorlegen. Der Leitgedanke bei der "Akademie 91" war, "das universitäre Denken in die Region zu bringen, es den Menschen schmackhaft zu machen und so die Uni-Idee in der Region neu zu verankern".
Die Uni-Idee hatte nun eine einflussreiche und schlagkräftige Lobby. Jetzt begann sich auch in der Politik wieder einiges zu regen. Bildungsdirektorin Brigitte Mürner plädierte für eine inhaltliche Erweiterung des Uni-Gedankens – nicht mehr ausschliesslich von Universität, sondern von einer Hochschule solle die Rede sein: "Denn der Begriff Hochschule umfasst sowohl universitäre wie nicht-universitäre Einrichtungen des tertiären Bildungsbereichs – schliesst also die heutigen Höheren Fachschulen, die sich zu Fachhochschulen entwickeln werden, ausdrücklich mit ein." Nun meldeten sich auch die Liberalen mit konstruktiven Beiträgen zu Wort: Mit "10 Thesen zum Ausbau der Hochschule Luzern" bekannten sie sich ausdrücklich zur Uni-Idee.
Doch dann erhielten die Uni-Befürworter einen heftigen Schlag ins Genick: 1997 empfahl eine parlamentarische Kommission, die universitäre Hochschule aus Spargründen zu schliessen. Der Regierungsrat mochte sich dem nicht anschliessen – aber er verlangte ein "Konzept für den wirtschaftlichen Betrieb der Universitären Hochschule Luzern innerhalb eines Jahres". Jetzt war klar: Es galt ernst. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Markus Hodel, damals Leiter der Abteilung Tertiäre Bildung und Wissenschaft im Erziehungsdepartement, kam zum Schluss, dass eine Universität mit drei Fakultäten kostenneutral betrieben werden könnte. Regierungsrätin Brigitte Mürner und Rektor Walter Kirchschläger drückten aufs Tempo. Unterstützt wurden sie in der Politik von einer "interparteilichen Arbeitsgruppe" unter dem Co-Präsidium von Alois Hartmann, CVP, Karl Hofstetter, LPL, und Hans Widmer, SP. Der Arbeitsgruppe gehörten mit Frank Nager und Peter Schulz auch der Präsident und der Geschäftsführer der "Akademie 91" und Vertreter des Erziehungsdepartements an. Die Politiker und Bildungsexperten erhielten breite Unterstützung durch einen 1997 gegründeten Universitätsverein, der von der freisinnigen Ständerätin und Unternehmerin Helen Leumann präsidiert wurde. Am 7. Juli konnte Regierungsrätin Brigitte Mürner das Konzept für die Universitäre Hochschule Luzern präsentieren. Der Regierungsrat stellte sich hinter dieses Konzept einer Uni mit der Theologischen, der Geisteswissenschaftlichen und der Juristischen Fakultät.
Es war das Abschiedsgeschenk der ersten Frau im Luzerner Regierungsrat. 1999 trat Mürner nach zwölf Jahren im Amt nicht mehr zur Wiederwahl an. Mit der Uni-Baustelle hatte Mürner nach der Abstimmung von 1978 einen Scherbenhaufen übernommen. Ihrem Nachfolger Ulrich Fässler, einem Freisinnigen, konnte sie ein wohl bestelltes Feld übergeben.