Sebastian Heselhaus, Ordinarius für Europarecht, Völkerrecht, Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung, fragt – Balthasar Hug, Professor für Community Medicine und Chefarzt Innere Medizin am Luzerner Kantonsspital (LUKS), antwortet.

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Um die Frage, wie Menschen mit Long Covid unterstützt werden können, zu beantworten, gilt es vorgelagert, sich mit der Definition dieses Phänomens auseinanderzusetzen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert Long Covid als das Auftreten von neuen Symptomen drei Monate nach der initialen SARS-Covid-2-Infektion und dass diese für zwei Monate ohne eine andere Erklärung andauern. Die WHO nimmt an, dass 10 bis 20 Prozent der mit Covid infizierten Menschen Long-Covid-Symptome entwickeln. Wir haben kürzlich eine Untersuchung publiziert, welche diese Symptomatik in der Luzerner Bevölkerung untersucht hat (Dissertation von Ivonne Chong, publiziert im «European Journal of Internal Medicine»). In dieser Studie stellten wir in der Zentralschweiz einen Anteil von 22,8 Prozent Long Covid bei Menschen mit nachgewiesener SARS-Covid-2-Infektion fest. Einige Studien wiesen einen signifikant höheren Frauenanteil bei den von Long Covid betroffenen Menschen nach, was bei unserer Studie nicht der Fall war.

Andere Krankheiten ausschliessen

Die hier gestellte Frage bezieht sich auf die Unterstützung, welche betroffenen Patientinnen und Patienten in Aussicht gestellt werden kann. Dazu hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am 31. August 2023 Behandlungsempfehlungen publiziert (altea-network.com). Darin wird das Vorgehen Schritt um Schritt vorgestellt und erklärt. Als Erstes ist es wichtig, die Diagnose korrekt zu stellen und mögliche andere Krankheiten (Differentialdiagnosen) auszuschliessen. Dies kann in einer Hausarztpraxis oder einer dafür spezialisierten Sprechstunde durchgeführt werden. Die Behandlung der Symptome richtet sich nach deren Ausprägung. Empfehlenswert ist die Gradierung der Symptome nach den vorgeschlagenen Einteilungen, um eine Verbesserung oder Verschlechterung der Symptomatik objektivieren zu können. Auch die Führung eines Symptom-Tagebuches kann sehr hilfreich sein und das Arzt-Patienten-Gespräch erleichtern. Falls der Behandlungserfolg nicht zufriedenstellend ist, kann die Hausärztin bzw. der Hausarzt die Patientin respektive den Patienten an eine Spezialsprechstunde für Long Covid überweisen.

«Hoffnung gerechtfertigt»

Eine solche Spezialsprechstunde ist während der Pandemie am Luzerner Kantonsspital (LUKS) eröffnet worden. Ich habe deren Leiter Dr. Marco Rossi gefragt, welche Long-Covid-Symptome sie am häufigsten sehen und welche Empfehlungen sie abgeben. Marco Rossi sagt: «Müdigkeit und Erschöpfbarkeit stehen bei vielen Betroffenen im Vordergrund. Aber auch Belastungsintoleranz (Post-Exertional Malaise, PEM) und kognitive Einschränkungen sind äusserst belastend. Die Belastungsintoleranz hindert viele Patientinnen und Patienten daran, durch Steigerung der körperlichen Betätigung wieder an ihre frühere Leistungsfähigkeit heranzukommen. Wir empfehlen in dieser Situation, mittels ‹Pacing› die maximal mögliche Aktivität zu ermitteln und damit den sonst nachfolgenden Zusammenbruch zu verhindern. Neben diesem Energiemanagement ist auch genügend Schlaf wichtig. Erfreulicherweise erholen sich viele Long-CovidBetroffene weitgehend, manchmal auch nach mehrmonatigem schwerem Verlauf. Die Hoffnung auf einen günstigen Verlauf ist also gerechtfertigt.»

Balthasar Hug

Balthasar Hug

Professor für Community Medicine und Chefarzt Innere Medizin am Luzerner Kantonsspital (LUKS)
unilu.ch/balthasar-hug


Im Gefäss «Gefragt? Geantwortet!» stellen sich Forschende im Domino-System disziplinübergreifend Fragen und beantworten diese. Antwort des Fragestellers, Professor Sebastian Heselhaus, auf die vorherige Frage