Die Bezüge der Rechtsordnung zum Tier sind vielfältig. Gerade in letzter Zeit werden verschiedene Aspekte vertieft und mitunter leidenschaftlich diskutiert.

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Rechtlich galten Tiere zunächst jahrhunderte­lang als Sachen, über die mehr oder minder frei verfügt werden konnte. In diesem anthro­pozentrischen Ansatz wurde aus Sicht des Menschen reguliert, Tierschutzvorschriften dienten primär der Erhaltung der tierischen Arbeitskraft und seiner Nutzung. Erst seit wenigen Jahrzehnten hat sich ein sogenannter pathozentrischer Ansatz durchgesetzt. Das Tier wird als Mitgeschöpf verstanden, das – unabhängig vom Menschen – als leidensfähiges Wesen um seiner selbst willen geschützt wird.  Das manifestiert sich seit 2003 im Zivilgesetz­buch, indem Art. 641a ZGB ausdrücklich normiert, dass Tiere keine Sachen sind. Freilich gelten für sie weiterhin die auf Sachen anwendbaren Vorschriften, soweit keine besonderen Regelungen bestehen.

Empfindungsfähigkeit als Kriterium

Gleichfalls Zeugnis von den geänderten Vorstellungen – allerdings mit wesentlich mehr Wirkung – liefert die moderne Tierschutzgesetzgebung, die sich seit 1978 entwickelt hat. Ihr unterliegen jedoch nur Tiere, die empfin­dungsfähig sind. Derzeit fallen Wirbeltiere und Panzerkrebse darunter, mit fortschreitendem Wissensstand ist diese Bewertung jedoch jeweils neu zu beurteilen. Allgemein verboten ist jede Form der Missachtung der tierischen Würde, worunter der Eigenwert des Tieres verstanden wird. Diese Würde des Tieres wird immer dann missachtet, wenn eine Belastung des Tieres nicht durch überwiegende Interes­sen gerechtfertigt werden kann. Eine Belastung liegt vor, wenn dem Tier insbesondere Schmer­zen, Leiden oder Schäden zugefügt werden, es in Angst versetzt oder erniedrigt wird, wenn tiefgreifend in sein Erscheinungsbild oder seine Fähigkeiten eingegriffen oder es übermässig instrumentalisiert wird.

Zeugnis von den geänderten Vorstellungen liefert die moderne Tierschutzgesetzgebung, die sich seit 1978 entwickelt hat.

Das Bundestierschutzgesetz klassifiziert Tiere je nach Domestikationsstatus in Haustiere und Wildtiere beziehungsweise nach Nutzungsart in Nutztiere, Heimtiere und Versuchstiere. Je nachdem kommen abweichende Regelungen ins Spiel. Die Normen enthalten zum Beispiel allgemeine Anforderungen an die Tierhaltung, Melde- und Bewilligungspflichten für be­stimmte Tierarten, Regeln für Tiertransporte, Tierversuche und das Schlachten von Tieren sowie Verwaltungsmassnahmen wie insbeson­dere Tierhalteverbote. In langen technischen Anhängen finden sich in der Tierschutzverord­nung detaillierte Vorgaben beispielsweise  betreffend Fütterung, Pflege, Auslauf, Ausstattung der Standplätze oder Liegeflächen. Gruppenhaltung, Anbindehaltung, Reproduk­tionsmethoden, Raumklima und Lärm sind weitere Themen. Verbotene Handlungen (zum Beispiel das Coupieren von Schwänzen und Schnäbeln) werden ebenso geregelt wie der Umgang mit Tieren an Veranstaltungen, Handel und Werbung mit Tieren sowie gentechnisch veränderte Tiere.

Eigene Rechtspersönlichkeit?

Über diese verwaltungsrechtliche Seite hinaus rückt zudem immer mehr das Thema der Grundrechte für Tiere in den Fokus. Diese insbesondere in den USA bereits seit langem geführte (rechts-)philosophische Debatte ist mittlerweile auch bei uns angekommen. Ob Tieren Rechtspersönlichkeit zuerkannt werden soll und was die konkreten Folgen einer solchen Revolution der Rechtsordnung sein könnten, wird derzeit auf akademischer Ebene – nebst vereinzelten Umsetzungsversuchen (man denke nur an die vom Bundesgericht für zulässig befundene Primateninitiative 2022 in Basel-Stadt) – diskutiert. So könnten etwa gesetzlich bestellte Vertreterinnen und Vertreter die Rechte von Tieren in Verfahren wahrnehmen (der Kanton Zürich hat in der Vergangenheit bereits einmal über einen solchen Tieranwalt verfügt).

Neben dem Tierschutz- bzw. Tierwohlrecht betreffen noch eine Reihe weiterer Rechtsgebiete Tiere, etwa in der Tierzucht, im Veterinärrecht, bei den landwirtschaftlichen Direktzahlungen, beim Artenschutz (inklusive übergeordnetes internationales Recht wie etwa die Berner Konvention), Jagd- und Fischerei­recht oder im Lebensmittelrecht. Überdies können sich interessante Interessenskonflikte auftun, etwa zwischen Freilaufhaltung und Geruchsbelästigung für die Nachbarn bezie­hungsweise Verbrauch von Fruchtfolgeflächen, also Tierschutz gegen Immissionsschutz beziehungsweise Raumplanung.

Dem in letzter Zeit gestiegenen Interesse an der Thematik seitens der Rechtswissenschaft tragen jüngst eingerichtete Schwerpunkte an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten Bern und Zürich Rechnung. An der Universität Luzern hat der Verfasser in diesem Herbstsemester ein Seminar zum Thema «Tierschutzrecht – Tiere im Recht» durchgeführt. Die Stiftung «Tier im Recht» (TIR) setzt sich bereits seit 1996 für einen starken rechtlichen Tierschutz ein.

Vollzug des bestehenden Rechts

Die Forderung nach subjektiven Tierrechten gipfelt manchmal rasch in der Ablehnung der Nutzung von Tieren, insbesondere in der Landwirtschaft. Dabei wird oft übersehen, dass sich gerade Nutztiere erst in einer engen Symbiose mit dem Menschen herausgebildet haben und ohne ihn nur begrenzt lebensfähig wären. Aus juristischer Sicht liegt das dring­lichste Problem denn auch im Vollzug. Wenn die bereits heute bestehenden Tierschutzbestimmungen überall angemessen kontrol­liert und mit Augenmass umgesetzt würden, wäre schon viel gewonnen – für Tier und Mensch.

Foto Roland Norer

Roland Norer

Ordinarius für Öffentliches Recht und Recht des ländlichen Raums
unilu.ch/roland-norer