Studie zur behördlichen Informationstätigkeit im Referendum über die EFTA-Indonesien Wirtschaftspartnerschaft

Eine eben erschienene rechtswissenschaftliche Fallstudie zu den Zollpräferenzen für nachhaltig produziertes Palmöl im Freihandelsabkommen mit Indonesien deckt Aspekte auf, die bisher nicht bekannt waren und im Abstimmungskampf von den Behörden kaum thematisiert wurden.

Haben die Behörden umfassend informiert? Volksabstimmung zum Wirtschafts- abkommen mit Indonesion vom 7. März 2021

Wie die von Dr. iur. Charlotte Sieber-Gasser verfasste Studie zeigt, sind die potentiellen Zollersparnisse über den sogenannten Nachhaltigkeitsnachweis für Palmöl äusserst gering (zwischen 1-10 CHF/100kg). Zudem finden die für nachhaltig produziertes Palmöl gewährten Zollreduktionen keine Anwendung auf Palmöl, welches zu Futtermittelzwecken importiert wird. Basierend auf der Handelsstatistik der letzten Jahre entfallen darauf über 90% der Palmöl-Importe aus Indonesien, die somit vom Nachhaltigkeitsnachweis ausgenommen sind. Der Präferenzmechanismus habe demnach den Charakter eines Denkanstosses (englisch «nudge») und schütze damit primär die bereits bestehende Nachfrage nach nachhaltig produziertem Palmöl in der Lebensmittelindustrie, so Sieber-Gasser, die als Lehrbeauftragte an der Rechtswissenschaftlichen Fakutlät unterrichtet.

Verletzung der Abstimmungsfreiheit?

Weil die behördliche Informationstätigkeit zu Palmöl im Freihandelsabkommen mit Indonesien den Abstimmungskampf dominiert hat und gleichzeitig auf eine Klärung der spezifischen Fakten z.B. zum Umfang der gewährten Präferenzen verzichtet hat, stellt die Studie Mängel in Bezug auf die Verhältnismässigkeit und die Sachlichkeit der Behördeninformation fest. Vor diesem Hintergrund liegt der Schluss nahe, dass eine Verletzung von Art. 34 Abs. 2 BV (Abstimmungsfreiheit) vorliegt.

Bei den Details des Präferenzmechanismus, die in den Behördeninformationen zu kurz kamen, handelt es sich um sog. «unechte Noven» (das heisst um eine Sachlage, wie sie im Zeitpunkt der Abstimmung zwar gegeben, für die Stimmberechtigten aber nicht bekannt war). Eine Stimmrechtsbeschwerde gegen das Referendum wäre demnach zulässig. Entscheidend ist, ob die Stimmberechtigten ihre Meinung in Kenntnis der richtigen Sachlage haben bilden können. Die zuvor unbekannte Tatsache, dass voraussichtlich über 90% der Palmöl-Importe aus Indonesien vom Nachhaltigkeitsnachweis ausgenommen sind, vermag Zweifel aufkommen lassen in Bezug auf diesen umfassenden Meinungsbildungsprozess. Gemäss VOX-Analyse waren für rund 12% der Ja-Stimmenden Überlegungen zur Umwelt ausschlaggebend. Bei dem relativ knappen Abstimmungsergebnis (51.65% Ja-Stimmen) ist deshalb denkbar, dass die festgestellten Details der Palmöl-Präferenzen einen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis hätten haben können.

Klärungsbedarf mit Blick auf die Zukunft

Derselbe Präferenzmechanismus soll auch in das Freihandelsabkommen mit Malaysia aufgenommen werden. Um den umfassenden und unbehinderten Meinungsbildungsprozess in Zukunft besser zu gewährleisten, besteht Klärungsbedarf, wie weit vereinfachende behördliche Information mit den Grundsätzen der Sachlichkeit, Transparenz und Verhältnismässigkeit vereinbar ist.

Mehr dazu im Open Access publizierten Artikel auf sui generis.