Referat: Warum vertrauen wir der Wissenschaft?

Wissenschaftsphilosoph Prof. Dr. Dr. Claus Beisbart zeigte anhand neuer Zahlen die Entwicklung unseres Vertrauens in die Wissenschaft auf und erörterte, was Vertrauen mit Erwartung zu tun hat.

Eine Forscherin füllt mit einer Pipette ein Teströhrchen.
Wie gelingt es der wissenschaftlichen Community das Vertrauen von Laien, trotz deren fehlenden Fachwissens, in ihre Ergebnisse zu gewinnen? (Julia Koblitz, Unsplash)

Der Extraordinarius für Wissenschaftsphilosophie an der Universität Bern sprach am 1. Juni auf Einladung des Philosophischen Seminars zum Thema «Vertrauen in die Wissenschaften». Der Anzahl Besucherinnen und Besucher war zu entnehmen, dass die Thematik auf Interesse stiess; der Hörsaal war gut gefüllt.

Gestiegenes Vertrauen

Seinen Vortrag eröffnete Beisbart mit der Einstiegsfrage: «Wie hoch ist ihr Vertrauen in die Wissenschaft?» Mit der Frage evozierte der Referent exakt, was er wohl beabsichtigte: Die Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft war ganz die seine. Interessant waren denn auch die Zahlen, welche er den nun neugierig gemachten Teilnehmerinnen und Teilnehmern präsentierte. In Umfragen des sog. Wissenschaftsbarometers zeigte sich, dass das Vertrauen in die Wissenschaft im Jahr 2020 wohl coronabedingt sprunghaft anstieg. Allerdings hielt sich dieses erhöhte Vertrauen in die Wissenschaften nicht dauerhaft auf diesem Niveau – nach 2020 sanken die Zahlen sukzessive wieder ab, sind aber nach wie vor auf höherem Niveau als 2019.

Erwartung lässt vertrauen

Doch was bedeutet «Vertrauen in die Wissenschaft» überhaupt? Diese Frage zu beantworten ist keine leichte Aufgabe. Um etwas Klarheit in die komplexe Thematik zu bringen, umriss der Referent in einem ersten Schritt den Vertrauensbegriff auf allgemeiner Ebene, um danach daran anknüpfen zu können. Was also bedeutet es ganz grundsätzlich, «zu vertrauen»?

Ein erster wichtiger Ankerpunkt, um etwas Einsicht in den Vertrauensbegriff zu erhalten, war Beisbarts Hinweis, dass Vertrauen stark mit Erwartungen zusammenhängt; man erwartet also, dass etwas wohl so ist, wie es einem vermittelt wird – denn würde man es wissen, bräuchte es ja kein Vertrauen. Das kann beispielsweise bei der Hausärztin der Fall sein, auf deren Aussagen und Diagnosen man sich verlässt, weil man damit rechnet, dass die Ärztin kompetent ist und nach bestem Wissen und Gewissen handelt. Man akzeptiert – also vertraut – für gewöhnlich, was sie einem rät.

Überforderung vermeiden

Doch wie ist das bei «der Wissenschaft»? Was ist «die Wissenschaft» eigentlich genau? Und wie sollen Laien nachvollziehen können, wie wissenschaftliche Ergebnisse erzielt werden? Während des ca. 60-minütigen Referats konnte das äusserst anspruchsvolle Thema natürlich nur umrissen werden. Ebenfalls war es nicht möglich, in dieser kurzen Zeit alle Fragen zum Vertrauen in die Wissenschaften vollständig zu beantworten.

Was Beisbart aber klar vermitteln konnte, war seine Ansicht, dass für wissenschaftliche Laien kein zu anspruchsvoller Vertrauensbegriff angenommen werden sollte, welcher bereits ein sehr hohes wissenschaftliches Verständnis voraussetzt. Dies könnte überfordern und das Vertrauen verhindern. Menschen würden genau dann in eine Fachgemeinschaft vertrauen, wenn sie damit rechneten, dass diese Community ihre Aufgabe, Wissen zu gewinnen, erfülle. Ebenfalls sei die Erwartung wichtig, dass die Fachgemeinschaften von der Gesellschaft als signifikant erachtetes Wissen gewinnen und eruieren.

Der Referent

Wie seinem Titel entnommen werden kann, promovierte Prof. Dr. Dr. Beisbart in mehr als einer Disziplin – er besitzt einen Doktortitel in Physik und einen in Philosophie. 2012 habilitierte er im Fach Philosophie an der Technischen Universität Dortmund und trat, ebenfalls in diesem Jahr, seine Stelle als ausserordentlicher Professor an der Universität Bern an.

Der Vortrag fand im Rahmen des Philosophischen Kolloquiums statt.

Dieser Beitrag wurde von Denise Donatsch verfasst. Sie studiert im Zweitstudium Philosophie im Bachelor.