Ananas-Standards: Ist weniger mehr?

Dank unterschiedlichster Standards können wir perfekt anmutende Früchte konsumieren. Die Umsetzung auf der Produktionsseite ist jedoch organisatorisch voraussetzungsreich und schafft darum auch Verlierer.

Ananas

Wie wirken sich Fairtrade-Standards im westafrikanischen Ghana auf die Ananasproduktion aus? Zu dieser Frage forscht Nadine Arnold, Oberassistentin am Soziologischen Seminar. Gefördert durch ein Early-Postdoc.Mobility-Stipendium des Schweizerischen Nationalfonds, begleitete sie vor Ort Arbeiter, Kleinbauern, Plantagenbesitzer sowie Qualitäts- und Exportmanager bei ihrer täglichen Arbeit und interviewte diese. Kürzlich hat Dr. Anold erste Resultate im Aufsatz "Die Produzenten in moralisierten Märkten" in der "Zeitschrift für Soziologie" (Band 48, Heft 1) veröffentlicht.

Komplexe gleichzeitige Umsetzung

Generell resultieren aus Standards im Produktionsland viele positive Effekte. "Die Plantagenarbeiterinnen und -arbeiter haben beachtliche Vorteile", führt Arnold aus. Insbesondere die Fairtrade-Prämie, über deren Nutzung eigenständig entschieden werden könne, sei sehr geschätzt. Auch die Plantagen profitierten, indem diese neue Nischenmärkte und Kunden finden oder einfach nur ihre Handelsbeziehungen stabilisieren können. Doch es gibt auch eine Kehrseite: So prallen im Produktionsalltag Fairtrade-Standards mit vielen anderen Standards hinsichtlich Grösse, Farbe, Form, Gewicht oder Sorten zusammen. Nadine Arnold: "Die gleichzeitige Umsetzung bedingt eine organisatorische Höchstleistung." Eine Höchstleistung wohlgemerkt, die nur Grossplantagen umzusetzen in der Lage seien. "Die Kleinbauern, die Schwächsten, sind vom Fairtrade-System daher oft a priori ausgeschlossen." Das sei bedenklich, weil ursprünglich ja das Ziel gewesen sei, genau diese in den internationalen Handel einzubinden. Ein weiteres Problem: "Oft kann nur ein Bruchteil der Ernte zu Fairtrade-Konditionen verkauft werden." Daher hätten einige der Ananasplantagen in Ghana Dezertifizierungsprozesse eingeleitet.

"Ein pragmatisches Vorgehen könnte sein, die Produzenten mittels einer Reduktion von Standards zu unterstützen", so Arnold. Dies würde aber bedingen, dass Konsumentinnen und Konsumenten bereit sind, auch kleine, deformierte, grüne Ananas ohne Krone zu kaufen. Nadine Arnold: "Sie müssten sich von der – fast schon ironischerweise gerade durch Standards geprägten – Vorstellung lösen, derzufolge einzig gelbe Ananas geschmacklich gut sind."

Artikel aktualisiert am 24. Juni 2019

Auf den Forschungsaufsatz wurde auch in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" eingegangen: Artikel "Früchte der Fairness", 6. Juni 2019