«Alle wollen Vertrauen – Niemand will vertrauen»

Mit einem Referat von Prof. Dr. Martin Hartmann wurde am Mittwoch die neue «LUKB-Veranstaltungsreihe» eröffnet.

«Alle wollen Vertrauen – Niemand will vertrauen: Über ein Paradox der Gegenwart» lautete der Titel des Eröffnungsvortrags. Vertrauen werde oft im Rahmen von Umfragen thematisiert. Etwa, wenn das Vertrauen in Institutionen gemessen wird. «Vertrauen ist sehr relevant, es ist sehr wichtig, es wird viel darüber nachgedacht, es gibt sehr viele Krisendiagnosen», so Hartmann.

Gleichzeitig gebe es sehr viel Vertrauensskepsis. Problematisch sei vielleicht gar nicht so sehr, dass wir niemandem mehr vertrauen könnten, sondern dass wir gar nicht mehr so viel vertrauen wollten. Wir hätten viel dafür getan, um das Vertrauen zu ersetzen, etwa, indem wir uns zunehmend auf Controlling- oder Auditing-Mechanismen verlassen oder durch Algorithmen, welche das Verhalten vorhersagen. Mit dem Phänomen der Filterblasen und geschlossenen Wohnkomplexen (Gated Communities) führte Hartmann Beispiele auf, bei denen Menschen nicht bereit sind, nach aussen zu vertrauen und sich auf das Vertraute zurückzögen.

Gute Gründe für Misstrauen

Allerdings: Misstrauen sei gar nicht so schlecht. «Allemal wo es um Macht geht, gibt es gute Gründe, nicht naiv zu vertrauen», sagte Hartmann und verwies auf die vielfältigen Möglichkeiten der Einflussnahme, etwa auf die Politik, die es heute gebe. 

Sinkendes Vertrauen sei nicht mit Misstrauen gleichzusetzen. Misstrauen könne auch verschobenes Vertrauen bedeuten. «Wir haben nicht das Problem, dass man niemandem mehr vertraut, sondern es ändert die Vertrauensgemeinschaft, in die ich hineingehe.»

Drei Thesen

Hartmann fasste in der Folge seine Erwägungen in drei Thesen zusammen: Die Menschen würden, erstens, nicht weniger vertrauenswürdig. Aber es werde, zweitens, schwieriger, die Vertrauenswürdigkeit zu identifizieren, auch weil wir verlernten, auf Vertrauen zu setzen. Drittens würden wir unser Vertrauen auf Vertrautes, Übersichtliches und Bekanntes konzentrieren, was wiederum Konflikte mit denen schaffen könne, die sich ausserhalb dessen befinden.

Verengtes Vertrauen bedeutet weniger Freiheit

Vertrauen sei «akzeptierte Verletzlichkeit». Der Empfänger des Vertrauens erhalte durch den Verzicht auf Kontrolle einen Ermessenspielraum und damit Freiheit. «Das heisst, wenn wir die Vertrauensräume einschränken, verlieren wir ein Stück Freiheit», sagte Hartmann weiter und plädierte dafür, sich der Problematik, die durch zu verengtem Vertrauen ausgelöst wird, klarzuwerden.

Den Abschluss der von Luzerner Kantonalbank (LUKB) und Universitätsstiftung unterstützten Veranstaltung bildete eine von Rektor Prof. Dr. Bruno Staffelbach moderiertes Podiumsgespräch mit LUKB-CEO Daniel Salzmann.

Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft

Im Rahmen der LUKB-Vorlesungen geben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre neusten Erkenntnisse an die Öffentlichkeit weiter und nehmen Stellung zu aktuellen gesellschaftsrelevanten Fragen. Durch diesen Wissenstransfer soll ein Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft entstehen, wo Impulse und Fragen aufgenommen und Ideen ausgetauscht werden.

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