«Gute Geldpolitik ist gelebte Ordnungspolitik»

An der 19. Reichmuth & Co. Lecture referierten Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank, und Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank, an der Universität Luzern zum Thema Geldpolitik. Zentrale Punkte: die aktuelle Inflation und damit verbundene ordnungspolitische Massnahmen seitens der Zentralbanken.

Gerhard Schwarz in der Diskussionsrunde mit Thomas Jordan und Joachim Nagel (v.l.n.r.)

Der Titel des Doppelreferats vom 23. September lautete «Ist Geldpolitik heute noch Ordnungspolitik?». In seiner Begrüssungs­ansprache wies Prof. Dr. Christoph Schaltegger, Professor für Politische Ökonomie und Direktor des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern, mit der Aussage «Flirtet man mit der Inflation, so heiratet sie dich» auf die Aktualität des Themas hin. Dr. Joachim Nagel und Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Jordan gingen in ihren Vorträgen auf verschiedene aktuelle Entwicklungen ein und betonten, dass eine gelebte Ordnungspolitik weder in der Schweizerischen Nationalbank (SNB) noch in der Deutschen Bundesbank wegzudenken sei.

Wirkungsfelder und Ziele der Ordnungspolitik

Joachim Nagel erläuterte, dass die Ordnungspolitik klare Leitplanken für die Geldpolitik setze und immer noch zeitgemäss sei. Geldpolitik brauche klare Regeln, damit sich die Wirtschaft entwickeln, Wohlstand gesichert und Preisstabilität erreicht werden könne. Zudem müssten unkonventionelle Massnahmen und Sonderlösungen auch in Zeiten der Inflation und des Krieges immer geldpolitisch begründet werden. Der Präsident der Deutschen Bundesbank verdeutlichte, dass die Inflationsbekämpfung momentan ihr oberstes Ziel sei. Die Konjunkturschwankung in Deutschland mit einer Inflationsrate von mittlerweile 9% sei hartnäckig, weshalb auch die Bundesbank hartnäckig bleiben müsse, um für Preisstabilität zu sorgen. Nagel prognostizierte, dass der Spitzenwert mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht erreicht und eine zweistellige Inflationsrate denkbar sei. Im Jahr 2023 werde sich diese jedoch wieder abschwächen und 2024 hoffentlich wieder in Richtung des mittelfristigen Zieles von 2% hinbewegen. Für die Erreichung dieses Ziels sei primär die Anpassung der Leitzinsen das geeignete Instrument. Am Ende seines Vortrages betonte Nagel, dass gute Geldpolitik auch heute noch gelebte Ordnungspolitik sei.

Die Wichtigkeit der politischen Unabhängigkeit

Thomas Jordan erinnerte daran, dass die politische Unabhängigkeit sowie die Preisstabilität die grundlegenden und gesetzlich verankerten ordnungspolitischen Prinzipien der Schweizerischen Nationalbank sind. Die Mandate der SNB sowie eine direkte Finanzierung von Staatsausgaben in Krisenzeiten seien jedoch häufig Inhalt von politischen Diskussionen. Einer solchen direkten Finanzierung durch die SNB steht Jordan sehr kritisch gegenüber: Die grosse Problematik einer direkten Finanzierung von Staatsausgaben sei, dass geldpolitische Entscheide dadurch eine politische Dimension erhielten, was die Unabhängigkeit der SNB gefährde. Ein Abweichen von ordnungspolitischen Prinzipien würde zu Fehlanreizen führen sowie die Legitimität der SNB verletzen. Die aktuelle Inflationsrate in der Schweiz von 3.5% sei im Vergleich zum Ausland eher tief. Jordan betonte, dass die SNB über geeignete und wirksame Instrumente verfüge, um zu ihrem Ziel von einer Inflationsrate zwischen 0–2% zurückzufinden. Bereits Ende des letzten Jahres erfolgte eine nominale Aufwertung des Schweizer Frankens. Im Juni und im September dieses Jahres folgten Erhöhungen des Leitzinses auf den aktuellen Satz von 0.5%, was in der Schweiz das Ende der Negativzinsen zur Folge hatte. Zum Schluss erklärte Jordan unter dem Vorbehalt der Schwierigkeit langfristiger Wirtschaftsprognosen, dass eine weitere Erhöhung des Leitzinses möglich sei.

Einfluss der Inflation auf Renten

Die anschliessende Diskussionsrunde mit den beiden Referenten wurde durch Dr. Gerhard Schwarz, ehemaliger Leiter der Wirtschaftsredaktion der NZZ, moderiert. Eine Frage aus dem Publikum bezog sich auf die Schäden an AHV-Renten, welche durch die steigende Inflation entstehen. Jordan antwortete, dass permanente Einkommensverluste bei den heutigen Rentnerinnen und Rentner leider durchaus entstehen und die Verluste der aktuellen Situation getragen werden müssen. Hinsichtlich der steigenden Energiepreise erhofft sich Jordan eine baldige Senkung. Die Inflation bringe viele negative Begleiterscheinungen mit sich, weshalb sich Notenbankerinnen und -banker immer auch mit der sozialen Dimension auseinandersetzten, fügte Nagel dem hinzu.