Tagung zum Submissionskartell

Am 13. Februar 2019 fand an der Universität Luzern die vom Institut für Wirtschaft und Regulierung sowie der Staatsanwaltsakademie durchgeführte Konferenz «Das Submissionskartell – eine rechtliche Auslegeordnung» statt. Dass Submissionskartelle gleichzeitig unterschiedliche Rechtsgebiete tangieren, zeigten mehrere Expertenreferate. Sie deckten neben kartellrechtlichen Aspekten mögliche vergaberechtliche Sanktionen, die zivilrechtliche Haftung bis hin zur Strafverfolgung ab.

Submissionskartell - Sicht des Kartellrechts

Einen praxisorientierten Einblick in die Arbeit der WEKO und ihres Sekretariats bei der Bekämpfung von Submissionskartellen boten die Referenten Frank Stüssi und Dr. Jürg Bickel vom Dienst Bau des WEKO-Sekretariats. Die Wichtigkeit dieses Themas für die Wettbewerbsbehörden ergebe sich bereits aus dem hohen Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand. Submissionsabreden führen zu höheren Preisen und geringeren Effizienz- und Innovationsanreizen. Die Rechtsdurchsetzung werde durch das Zusammenspiel drei verschiedener Faktoren angestrebt: Prävention, Aufdeckung und Sanktionsverfahren. Die Prävention bilde hierbei ein zentrales Instrument. So werde mittels Sensibilisierungsveranstaltungen bei den Vergabestellen versucht, bereits im Vorfeld entsprechende Abreden zu erkennen. Die Aufdeckung von Submissionsabreden erfolge in rund 90 % der Fälle mittels Hinweisen und Anzeigen Dritter oder an den Abreden Beteiligter. Ein weiteres wesentliches Hilfsmittel bei der Aufklärung bilde das sog. Screening-Tool, mit welchem das WEKO-Sekretariat Submissionsdaten bereits im Vorfeld einer Verfahrenseröffnung statistisch auswerten und mögliche Abreden aufdecken könne. Wichtig für den Verfahrenserfolg seien zudem Ermittlungsinstrumente wie insbesondere Hausdurchsuchungen und Einvernahmen.

Submissionskartell - Sicht des (Kartell-)Zivilrechts

Das Referat von Prof. Dr. Andreas Heinemann widmete sich den (kartell-)zivilrechtlichen Haftungsansprüchen, dem sog. Private Enforcement. Im Gegensatz zum Public Enforcement der Wettbewerbsbehörden sei die Durchsetzung (kartell-)zivilrechtlicher Haftungsansprüche stark unterentwickelt. Eine Angleichung der beiden Systeme wäre wünschenswert. Das Kartellzivilrecht könne dabei massgeblich zur Entlastung der Wettbewerbsbehörden beitragen. Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen dürfte es sich bei der Entwicklung der erforderlichen Fallpraxis allerdings um einen langwierigen Prozess handeln. So bestünden teilweise unbefriedigende gesetzliche Regelungen und eine Vielzahl ungeklärter Fragen hinsichtlich der Schadenersatzvoraussetzungen. Problematisch sei bereits die fehlende Aktivlegitimation von Konsumenten. So räume das Kartellgesetz nach herrschender Lehre lediglich Unternehmen ein Klagerecht ein, zu welchen auch öffentliche Unternehmen sowie allgemein die öffentliche Hand und ihre Untergliederungen als Auftraggeber zu zählen seien. Konsumenten können ihre Ansprüche hingegen allein auf Grundlage der vertraglichen Beziehung durchsetzen. Eine weitere Schwierigkeit stelle die Beweislastverteilung zuungunsten der Kartellopfer dar. So könne eine (Submissions-)Abrede meist erst nach Vorarbeit durch die Wettbewerbsbehörden nachgewiesen werden. Entsprechend sei eine Verbesserung des Zugangs zu Beweismitteln im Sinne der europäischen Richtlinie zu kartellrechtlichen Schadensersatzklagen anzustreben. Ungeklärte Fragen bestehen auch im Hinblick auf die Quantifizierung des durch die Abrede entstandenen Schadens. In diesem Zusammenhang sei die Möglichkeit der obligationenrechtlichen Schadenschätzung oder einer vertraglichen Schadenspauschalierung von besonderer Bedeutung. Für ein effektives Kartellzivilrecht sei ein Kulturwandel bei allen Beteiligten erforderlich, wobei dem Public Private Enforcement eine Vorreiterrolle zukomme.

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Submissionskartell - Sicht des Vergaberechts

Der Vortrag von Prof. Dr. Nicolas Diebold befasste sich mit den Schnittstellen zwischen dem Kartell- und Vergaberecht unter besonderer Berücksichtigung der Revision des öffentlichen Beschaffungsrechts des Bundes (E-BöB/E-IVöB). Die Schädlichkeit von Submissionsabsprachen zeige sich nicht nur in höheren Preisen, sondern auch in dem damit einhergehenden Verwaltungsmehraufwand. Von der Vergabestelle seien vor, während und nach dem Ausschreibungsverfahren diverse Massnahmen zu ergreifen. Vor der Ausschreibung müsse im Sinne einer vorbeugenden Prävention das Kollusionsrisiko vermindert werden. Dies könne u.a. durch die Wahl des Ausschreibungsverfahrens und dessen Ausgestaltung erreicht werden. Während des laufenden Ausschreibungsverfahrens gelte es allfällige unzulässige Wettbewerbsabreden zu erkennen. Gemäss E-BöB sei das erforderliche Beweismass bereits bei hinreichenden Anhaltspunkten erfüllt. Die Rechtsfolgen können diesbezüglich vom Abbruch des Verfahrens bis zum Widerruf des Zuschlags reichen. Das E-BöB sieht zudem vor, dass die Vergabestelle neu Verwaltungssanktionen in Form von Vergabesperren bis zu 5 Jahren aussprechen können. Mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Geltungsbereich der Wirtschaftsfreiheit (Beschränkung auf Eingriffsverwaltung, BGer v. 16.10.2009, 2C_225/2009, E. 4.1) und der Verfahrensgarantien von Art. 6 EMRK (Ausschluss von Berufsverboten, BGE 142 II 243) ist davon auszugehen, dass Vergabesperren ausserhalb dieser Grundrechte verhängt werden können.

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Submissionskartell - Sicht des Strafrechts

Prof. Dr. Jürg-Beat Ackermann beschäftigte sich in seinem Beitrag mit der Frage, ob Anbieter und Vergabestellen im Falle ihrer Beteiligung an Submissionskartellen strafrechtlich belangt werden können. Neben Straftatbeständen wie der ungetreuen Geschäftsbesorgung, Bestechung und Vorteilsgewährung resp. -annahme stelle sich insbesondere die Frage, ob eine Submissionsabrede den Tatbestand des Betrugs erfüllen könne. Problematisch seien dabei insbesondere das Vorliegen einer arglistigen Täuschung und eines Vermögensschadens. So sei die Submissionsabsprache lediglich die Grundlage der Täuschung darüber, dass ein echter Wettbewerb stattgefunden habe. Die diesbezügliche Täuschung liege somit vor dem Zuschlag. Noch schwieriger sei der Nachweis eines Vermögensschadens. Dieser scheitere regelmässig an der Feststellung des relevanten Marktpreises. Ersatzkriterien wie bspw. ein angemessener Preis oder ein hypothetischer Wettbewerbspreis würden dem strafprozessualen Beweisanforderungen grundsätzlich nicht genügen. Ein Vermögensschaden lasse sich im Ergebnis auch nicht über die Aussicht auf ein günstigeres Angebot konstruieren, da es sich nicht um eine hinreichend konkretisierte Anwartschaft handele.

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Die Kronzeugenregelung

Die anschliessende mit allen Referenten stattfindende Podiumsdiskussion widmete sich vor allem der kartellrechtlichen «Bonusregelung». Die Wichtigkeit dieses Rechtsinstitutes wurde von allen Teilnehmern bestätigt. So wies Frank Stüssi darauf hin, dass Bonusmeldungen eine wesentliche Rolle bei der Ermittlungsarbeit der WEKO darstellen. Aufgrund deren immenser Bedeutung bei der Aufdeckung kartellrechtlicher Fälle dürfe das Institut der Bonusregelung durch die Gefahr zivilrechtlicher Verfolgung nicht geschwächt werden, betonte Prof. Dr. Andreas Heinemann. Es sei insoweit auch im Interesse des Wettbewerbs und der Aufdeckung von Kartellen, Bonusmeldungen über das Kartellverfahren hinaus zu schützen.

Submissionskartelltagung Institut für Wirtschaft und Regulierung / Staatsanwaltsakademie (Veranstaltungshinweis mit Programm)