Drei Fragen an Tobias Schwörer
Vom 24. bis 27. Juni 2025 wird die Universität Luzern zum Treffpunkt für alle, die sich für die Inselwelt des Pazifiks interessieren. Internationale Expertinnen und Experten diskutieren in Vorträgen und Podiumsgesprächen aktuelle Entwicklungen, regionale Besonderheiten und globale Zusammenhänge. Weshalb sich ein Besuch der ESfO lohnt, erklärt der Ethnologe und Ozeanien-Spezialist Dr. Tobias Schwörer.
Tobias Schwörer, die Verflechtungen zwischen Ozeanien und anderen Teilen der Welt gehören zu Ihrem Fachgebiet: Worauf freuen Sie sich bei dieser Konferenz am meisten?
Tobias Schwörer: Ich freue mich auf spannende Einblicke in eine Weltregion, die in den europäischen Medien kaum beachtet wird. Auf der anderen Seite des Globus finden derzeit tiefgreifende gesellschaftliche Entwicklungen statt: Die Globalisierung verändert auch die Inselstaaten des Pazifiks. Migration, technische Innovationen und soziale Netzwerke halten Beziehungen zwischen Ausgewanderten und ihren Herkunftsregionen aufrecht. Gleichzeitig bringt die Klimakrise die Bevölkerung Ozeaniens in existenzielle Bedrängnis – mit Auswirkungen bis nach Europa. Koloniale Strukturen wirken im Pazifikraum fort und neue soziale Bewegungen formieren sich dagegen. Die Urbanisierung schreitet voran, und traditionelle Familienstrukturen verändern sich unter dem Einfluss westlicher Vorbilder.
Die ESfO gibt es bereits seit 1992 und sie richtet seither alle zwei bis drei Jahre eine Konferenz aus, zum Beispiel in Brüssel, Cambridge und zuletzt 2022 in Ajaccio auf Korsika. Warum ist es wichtig, dass es in Europa eine Plattform für die Forschung über Ozeanien gibt – und welche Möglichkeiten bietet die Universität Luzern als Gastgeberin dieser Konferenz?
Die Forschung zu Ozeanien führt in Europa leider nur noch ein marginales Dasein. Das ist schade, denn Ozeanien ist weit mehr als eine exotische Feriendestination. Seine Verflechtungen erstrecken sich über den gesamten Globus bis in die Schweiz. Viele theoretische Impulse der Ethnologie stammen aus der Forschung zum pazifischen Raum.
Mit der Konferenz wollen wir zeigen: Die Ozeanienforschung lebt – sie ist aufregend, relevant und innovativ! Die Schweiz liegt im Zentrum Europas und eignet sich hervorragend als Austragungsort. Zudem ist die Universität Luzern die einzige Schweizer Universität, die regelmässig ethnologische Lehrveranstaltungen im Bereich der Ozeanien- und Pazifikforschung anbietet. Ein Alleinstellungsmerkmal, das Luzern zur idealen Gastgeberin für die ESfO macht.
Für die Universität Luzern ist die ESfO eine grossartige Chance: Sie empfängt führende Forschende aus aller Welt und macht ein faszinierendes Forschungsfeld sichtbar, das in der Schweiz sonst kaum bekannt ist.
Welche konkrete Bedeutung hat die Pazifikregion für die Schweiz?
Nehmen wir mein Forschungsgebiet Papua-Neuguinea. Es wirkt weit entfernt, aber schaut man genauer hin, lassen sich zahlreiche Verflechtungen mit der Schweiz erkennen. In Papua-Neuguinea liegen grosse Goldminen. Dieses abgebaute Gold landet früher oder später bei uns in der Schweiz, einer Drehscheibe des Goldhandels.
Auch beim Palmöl gibt es direkte Berührungspunkte: Der Inselstaat setzt auf zertifizierten Anbau, der den ökologischen Standards entspricht, die der Schweizer Markt verlangt. Oder die Fischerei: Ein Grossteil des Thunfischs, den wir konsumieren, stammt aus dem Pazifik. Die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgekosten werden aber oft kaum beachtet.
Doch es geht um mehr als Rohstoffe und Lebensmittel. Missionare einer kleinen Schweizer Freikirche zum Beispiel gründeten eine Glaubensgemeinschaft in Papua-Neuguinea, die um ein Vielfaches grösser ist als diejenige in der Schweiz. In einem kulturell derart vielfältigen Land mit über 800 Sprachen stellt dies eine grosse Herausforderung dar.
All das ist nur ein kleiner Ausschnitt eines riesigen Forschungsfelds – an der ESfO gibt es viel mehr zu entdecken. Im Zentrum stehen politische Herausforderungen sowie die Beziehungen zwischen der Schweiz und den Inselregionen Ozeaniens. Interessierte sind herzlich willkommen. Besonders die Eröffnungsfeier, die Keynote-Vorträge am Vormittag und der Roundtable am Abend richten sich nicht nur an ein akademisches Publikum. Sie greifen Themen mit direktem Alltagsbezug auf. Wer lieber schaut als hört, kann sich auf einen Filmabend über die Bedeutung von Kokospalmen im pazifischen Raum freuen. Eine kleine Hürde bildet lediglich die Sprache: Da internationale Expertinnen und Experten teilnehmen, finden die Veranstaltungen auf Englisch statt.
Weitere Informationen zur Konferenz finden Sie hier oder auf der offiziellen Webseite.