Von Corona, Jesuiten und Wissenschaft. Lehren und Lernen im Zeichen der Pandemie

Erfahrungsbericht von Fabrice Flückiger, Lehrbeauftrager des Historischen Seminars der Uni Luzern: Ein seltsames Semester geht zu Ende. Wer hätte Mitte Februar gedacht, dass ein unbekanntes Virus, über das man sich anfangs wegen seines Biernamens noch lustig machte, auch die Universität Luzern vor ungeahnte Herausforderungen stellen würde?

Fast über Nacht mussten wir einsehen, dass Corona auch uns eingeholt hatte. Es galt, Ideen und Lösungen zu finden, um trotz der aus der Krise resultierenden Schließung der Universität weiter forschen, lehren und lernen zu können.

Wissen und Glauben – gestern und heute

In meinem Seminar “Maria Himmelskönigin. Marienverehrung, Wissenschaft und Kosmologie im Jesuitenorden (1650-1750)” geht es nicht in erster Linie um Epidemien, von denen man ja weiß, dass sie in der Frühen Neuzeit regelmäßig Stadt und Land in Angst und Ohnmacht versetzten. Zentrale Themen des Seminars sind Denkschemata und Wissensproduktion in der Gesellschaft Jesu und die Frage, wie letztere im Zusammenhang mit der Verteidigung und Verbreitung des katholischen Glaubens zu interpretieren sind: Im 16. und 17. Jahrhundert sollten Schulen, die von den Jesuiten betrieben wurden, Kinder und Jugendliche im Sinne der katholischen Reform erziehen. Die wissenschaftliche Tätigkeit diente dazu, die Welt besser zu verstehen, um sie im Einklang mit der kirchlichen Lehre deuten zu können.

Und doch klingen die Berichte Wilhelm Gumppenbergs über wundertätige Marienbilder, die einer Seuche Einhalt bieten, heute etwas anders als vor dem Beginn der Pandemie: Fast wünscht man sich, der Jesuitenpater hätte die Realität solcher Wunder tatsächlich bewiesen. Und was hätte wohl Athanasius Kircher, der Universalgelehrte vom Collegio Romano, zu Corona gesagt? Schließlich hatte Kircher sehr früh erahnt, dass die Pest, die 1656 in Italien wütete, von “winzigen unsichtbaren Würmchen” verursacht sein könnte. Dass wir es heute mit einem Virus zu tun haben, ist belegt, aber nicht viel mehr: Wissenschaftler aus aller Welt arbeiten fieberhaft daran, die vielfachen Geheimnisse von Corona zu knacken.

Den Jesuiten online auf der Spur

Als wir in den Lockdown gingen, hatte ich mit meinen Studierenden erst zwei Doppelsitzungen vor der großartigen Kulisse der Stadt Luzern und ihres Sees abhalten können. Danach wurde das Universitätsgebäude geschlossen und ich war in München blockiert. Wie sollte es nun weitergehen? Glücklicherweise war von Anfang an vorgesehen, einen Teil des Seminars online abzuhalten, bzw. sollte am Ende des Semesters ein Forschungsblog Überlegungen und Arbeiten der Studierenden zum Thema in Form einer virtuellen Ausstellung präsentieren.

Da wir eine kleinere Gruppe sind, konnten wir relativ leicht auf ein hundertprozentig digitales Seminar umstellen. Trotz manchmal unscharfer Bilder, knisterndem Ton und Netzausfällen lässt sich mittels Zoom ein erstaunlich reger Austausch aufrechterhalten. So treffen wir uns seit Mitte März jede Woche für ungefähr eine Stunde und diskutieren Quellen, Sekundärliteratur oder die Gestaltung unserer Homepage. Anhand von Werken prominenter jesuitischer Wissenschaftler wie Johann Baptist Cysat, Matthäus Rader oder Giovanni Battista Riccioli versuchen wir zu verstehen, wie die Jesuiten einen mit der Lehre der katholischen Kirche kompatiblen wissenschaftlichen Diskurs aufarbeiten konnten. Im Zentrum der Überlegungen steht die Frage, wie historische Argumentation und kosmographisches Wissen eingesetzt werden, um katholische Glaubenswahrheiten und insbesondere die Verehrung Mariens als Mediatrix zu bekräftigen.

Gemeinsam ein Projekt aufbauen 

Ganz im Sinne der reichen Tradition der Seminarform arbeiten wir gemeinsam an der virtuellen Ausstellung: Jede und jeder hat die Verantwortung für einen Themenbereich übernommen und sammelt selbständig Materialien dazu, die wir gemeinsam auswerten und diskutieren. Diese Arbeit soll auch als Basis für die Verleihung von ECTS-Credits im Rahmen des Seminars dienen. Da alle Mitglieder des Seminars sich im Bachelor-Studium befinden und auch der Zugang zu den Ressourcen wegen der verschiedenen Schließungen erheblich erschwert ist, wird diese autonome Form des Forschens zu einer besonderen Herausforderung. Das Engagement und der Enthusiasmus der Studierenden beweisen jedoch, dass es sich lohnte, das Seminar online weiterzuführen.

Obwohl das Semester nun bald zu Ende ist, haben wir beschlossen, uns darüber hinaus weiterhin zu treffen, um die Fertigstellung des Ausstellungsprojekts zu sichern. In den nächsten Wochen werden die ersten Resultate der Arbeit auf die Plattform hochgeladen, die Hypotheses.org zur Verfügung gestellt hat. Der Blog ist ab sofort unter der Adresse stellamaris.hypotheses.org abrufbar. Besuchen Sie uns regelmäßig, um die aktuellen Tätigkeiten unseres Seminars zu verfolgen!

Dr. Fabrice Flückiger