«Beitrag zu offener Wissen­schafts­kul­tur leisten»

Im Rahmen der «International Open Access Week» wurde Sebastian W. Hoggenmüller der «Open Science Preis 2022» der Universität Luzern verliehen. Im Interview gibt er Einblicke in seine Projekte und erklärt, wieso er als Forscher für Open-Access-Publikationen plädiert.

Sebastian W. Hoggenmüller
Dr. phil. Sebastian W. Hoggenmüller, Oberassistent am soziologischen Seminar

Sebastian W. Hoggenmüller, Sie haben den «Open Science Preis 2022» verliehen bekommen, herzlichen Glückwunsch zu diesem Erfolg! Können Sie Ihr Engagement im Bereich Open Science, für das Sie ausgezeichnet wurden, zusammenfassend beschreiben?

Sebastian W. Hoggenmüller: Herzlichen Dank, ich freue mich sehr über die Auszeichnung und die tolle Anerkennung! Mein aktuelles Open-Science-Engagement umfasst im Kern drei konkrete Aktivitäten, die ich in den letzten Monaten realisiert habe und zum Teil weiterhin realisiere. Die drei Projekte eint dabei die grundlegende Idee, im Bereich Open-Science gleichermassen bereits bestehende Möglichkeiten zu nutzen und neue, innovative Formate eigenständig zu entwickeln.

Was beinhalten die drei Projekte im Einzelnen?

Das erste Projekt umfasst die Open-Access-Publikation meiner Dissertation mit dem Titel «Globalität sehen. Zur visuellen Konstruktion von ‹Welt›», die über den sogenannten goldenen Weg erscheint, das heisst, die uneingeschränkte und unentgeltliche digitale Version wird am 23. November 2022 zeitgleich mit der Printfassung im Campus Verlag veröffentlicht.

Das zweite Projekt ist die Open-Access-Veröffentlichung eines Sonderhefts der «Schweizerischen Zeitschrift für Soziologie», das ich aktuell als Gastherausgeber realisiere. Dieses Sonderheft thematisiert das Phänomen «Big Visual Data» aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive und geht der Frage nach, wie umfangreiche, komplexe und dynamische visuelle Datenmengen die gesellschaftlichen Bedeutungen, Funktionen und Gebrauchsweisen von Bildern und visuellen Kommunikationsmedien verändern. Eine zentrale Rolle nimmt dabei unter anderem die Untersuchung von Open-Science-Angeboten wie Bilddatenbanken und Archiven von Videodaten ein.

Das dritte Projekt wiederum, bei dem es um fotografische Stadtansichten von Luzern geht, repräsentiert eine eigenständige Form von Citizen Science und Wissenstransfer – speziell unter Einbezug des wissenschaftlichen Nachwuchses und mit Blick auf die Förderung sozialer Inklusion, etwa durch eine Kooperation mit dem ehrenamtlichen Verein «Abseits Luzern». Bei diesem dritten Projekt ist einerseits die ihm zugrunde liegende Intention entscheidend, wissenschaftliche Erkenntnisse einem breiteren Publikum auf innovative Weise zu vermitteln. Andererseits ist bedeutsam, dass hinter dem Projekt ein ganzes Team steht: Es entstand in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Felix Amsel und einer Gruppe von elf Studierenden über den Zeitraum von anderthalb Jahren. (s. frühere Meldung zum Projekt)

Warum veröffentlichen Sie Ihre wissenschaftlichen Arbeiten Open Access? Was sind die Vorteile?

Prinzipiell gibt es ganz unterschiedliche Gründe, die für Open-Access-Veröffentlichungen sprechen, aber es gibt auch entsprechende Vorbehalte – dies hängt freilich davon ab, ob man beispielsweise aus Sicht der Verlage, der Öffentlichkeit oder der Forschenden selbst argumentiert. Für mich als forschende Person sind mit digitalen Open-Access-Veröffentlichungen vor allem drei zentrale Vorteile verbunden:

Erstens ermöglicht der weltweite kostenlose Zugang zu den eigenen Arbeiten eine höhere Sichtbarkeit der Forschungsresultate, die dadurch eine potenziell grössere Wirkkraft entfalten können – sei dies in einem engen Sinne in Form einer gesteigerten Zitierhäufigkeit im Wissenschaftssystem oder sei dies in einem weiten Sinne als Demokratisierung von Forschung und Wissen allgemein.

Zweitens sind Open-Access-Publikationen anderer Kolleginnen und Kollegen zu jeder Zeit rund um den Globus uneingeschränkt verfügbar. Damit erhöhen sie die Effizienz der Literaturrecherche, sind unproblematisch abrufbar und fördern so den Transfer von Wissen.

Drittens gewähren etliche Verlage, Repositorien und Open-Access-Förderinstitutionen einen hohen Freiheitsgrad für Autorinnen und Autoren hinsichtlich der Rechtevergabe. Dies gilt im Speziellen mit Blick auf die Wahl der Umsetzungswege sowie in Bezug auf die Bestimmung des jeweiligen Lizenzmodells.

Für die Open-Access-Publikation Ihrer soziologischen Doktorarbeit haben Sie eine Förderung erhalten. Können Sie das Vorgehen hierbei erläutern?

Für die Finanzierung der Open-Access-Publikation meiner Dissertation habe ich ein Gesuch beim Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gestellt. Wichtig dabei zu wissen ist, dass die Gesuchstellung jederzeit möglich ist und vollständig über «mySNF», die Web-Plattform des Schweizerischen Nationalfonds, läuft. Hier findet man alle erforderlichen Informationen, und alle geforderten Angaben und Dokumente können unmittelbar hochgeladen werden. Grundsätzlich vergütet der SNF mit der Open-Access-Förderung die verlegerischen Leistungen zur Qualitätssicherung, Buchherstellung und Verbreitung in Form einer Book Processing Charge, wobei die Förderung je nach Bedarf und Anforderung des Publikationsvorhabens mittels unterschiedlicher Module beantragt werden kann. In meinem Fall wurde die Veröffentlichung sowohl mit dem Basismodul der SNF-Open-Access-Förderung als auch mit dem Zusatzmodul für Mehrkosten bei erhöhtem Aufwand für Layout und die Einholung von Bildrechten gefördert. Letzteres wurde bewilligt, da die Publikation mit dem ihr zugrunde liegenden bildanalytischen Erkenntnisinteresse über 100 Abbildungen enthält. Dank dieser speziellen, modularen Open-Access-Publikationsförderung ist es mir nun möglich, meine bisherige Handhabe fortzuführen, eigene Publikationen vollständig und unmittelbar allen Interessierten frei zur Verfügung zu stellen und somit einen Beitrag zu einer offenen Wissenschaftskultur zu leisten.

Newsmeldung zur Verleihung des «Open Science Preises»

Newsmeldung: Alternative Stadtansichten im Postkartenformat

Mehr Informationen zu «Open Science» und dem «Open Science Preis»

Langfassung des Interviews