Auszeichnung für religions­wissen­schaft­liche Dissertation

Anne Beutter hat für ihre Doktorarbeit den «Fritz Stolz-Preis» erhalten. In ihrer Studie, die demnächst als Buch erscheint, geht es um die Wechselwirkungen zwischen Religion, Recht und Zugehörigkeit.

Dr. des. Anne Beutter mit der für den Fritz Stolz-Preis erhaltenen Urkunde im Uni/PH-Gebäude

Im Fokus der Untersuchung stehen die Wirkungsweisen von Rechtspraktiken in religiösen Organisationen. Um diese aufzuzeigen, wählte Anne Beutter das Beispiel der presbyterianischen Kirche im Ghana der 1950er-Jahre, das damals britisches Kolonialgebiet war. Die empirische Grundlage bildeten bisher unerforschte, von lokalen christlichen Mitarbeitern verfasste Protokollbücher der Sitzungen von Ältestenräten, der Basis der Kirchenhierarchie. In den Sitzungen ging es unter anderem um Zuweisungen von Rechten wie dem Erwerb von Land und um Bestrafungen etwa bei Verstössen gegen christliche Vorgaben. In der Analyse dieser Protokolle – reichhaltige Dokumente afrikanischer Religions- und Alltagsgeschichte – und der Abstraktion vom konkreten Geschehen zeigt sich, dass rechtliche Praktiken für eine religiöse Organisation die Funktion haben, zu definieren, was für die eigene normative Ordnung steht. Dies stabilisiert Deutungen und entwirft das Verhältnis zu anderen parallel existierenden und konkurrierenden normativen Ordnungen in der Lebenswelt.

«Brillant und stringent»

Die von Prof. Dr. Martin Baumann, Professor für Religionswissenschaft, betreute Studie «Recht und Zugehörigkeit» hat Anne Beutter Ende 2020 erfolgreich abgeschlossen; 2021 hat sie dafür von der Universität den Dissertationspreis erhalten. Nun wurde sie auch noch mit dem Fritz Stolz-Preis der Schweizerischen Gesellschaft für Religionswissenschaft (SGR-SSSR) ausgezeichnet; die Verleihung der mit 2000 Franken dotierten Auszeichnung fand im Rahmen der SGR-Jahrestagung am 14. Oktober in Lausanne statt.

Es handle sich um eine «brillante und stringente» Untersuchung, wie die aus zwei habilitierten Forschenden der Universitäten Zürich und München bestehende Jury befand: «Die Arbeit behandelt eine Kernfrage der aktuellen Religionswissenschaft im Spannungsfeld von Recht und Religion, indem sie die Wechselwirkungen anhand eines Untersuchungsgegenstands analysiert, der in der deutschsprachigen Religionswissenschaft nach wie vor sträflich vernachlässigt ist – nämlich der Erforschung von Missionskirchen und aussereuropäischem Christentum.» Die Dissertation leiste damit, so die Jury, einen wichtigen Beitrag, diese im Zeitalter des Postkolonialismus «eklatante Forschungslücke nicht nur zu schliessen, sondern erst recht bewusst zu machen». Zudem binde die Studie die Geschichte christlicher Missionen und aussereuropäische Christentum-Geschichte insbesondere in Afrika «resolut» in den Gegenstandsbereich der Religionswissenschaft ein. Hervorgehoben wurde auch der Nutzen für weitere Forschung: «Die theoretische Perspektive wird in einer Weise weiterentwickelt, die unmittelbare Anregungen für Studien zu ganz anderen Regionen, Quellen und Religionen erlauben.»

Studie online frei abrufbar

Dr. des. Anne Beutter ist Oberassistentin am Religionswissenschaftlichen Seminar, zuvor war sie von 2016 bis Anfang 2021 wissenschaftliche Assistentin und Lehrbeauftragte. Mitte November erscheint ihre Dissertation unter dem Titel «Religion, Recht und Zugehörigkeit. Rechtspraktiken einer westafrikanischen Kirche und die Dynamik normativer Ordnungen» beim Verlag Vandenhoeck & Ruprecht in der Reihe «Critical Studies in Religion/Religionswissenschaft». Der Band wird dank einer Förderung durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) auch open access abrufbar sein. Aktuell befasst sich Anne Beutter mit Formen der Darstellung religiöser Diversität in der Religionswissenschaft.
 

Zweite Luzerner Preisträgerin

Die Schweizerische Gesellschaft für Religionswissenschaft (SGR-SSSR) vergibt den Fritz Stolz-Preis, eine Auszeichnung für hervorragende Abschlussarbeiten in Religionswissenschaft, jährlich – und zwar abwechselnd für Masterarbeiten (in ungeraden Jahren) und für Dissertationen (in geraden Jahren). 2018 gab es mit Rafaela Eulberg die erste Preisträgerin der Universität Luzern; dies für ihre Doktorarbeit «Neue Orte für die Götter. Lokalisierungsdynamiken von Hindu-Praxis in der Schweiz im Kontext der sri-lankisch tamilischen Diaspora».

Damalige Newsmeldung | Open-Access-Abruf der Studie