Drei Fragen an Ursula Wolf

Der Würdebegriff ist als Basis für Grundrechte unbrauchbar – so die These von Ursula Wolf. Die Philosophin und Seniorprofessorin der Universität Mannheim hält am 12. Mai eine Festrede zu ihrer Forschung im Bereich der Ethik. Im Interview gibt die Ehrendoktorin der Universität Luzern einen Vorgeschmack auf ihren Vortrag.

Ursula Wolf, Ehrendoktorin der Universität Luzern

Weshalb ist der Begriff der Würde für die Philosophie und für den Ethikdiskurs so wichtig?

Ursula Wolf: Das ist teilweise historisch zu erklären. Im Christentum hat der Mensch gegenüber den anderen Lebewesen einen besonderen Wert, eine Würde, weil er nicht nur von Gott geschaffen, sondern nach Gottes Ebenbild geschaffen ist. Und eine solche besondere Eigenschaft aller Menschen scheint sich gut für die Moraltheorie zu eignen, weil diese nach etwas sucht, was gleiche moralische Rechte für alle begründen kann. Aber historisch betrachtet kommt der Würdebegriff auch in hierarchischen Kontexten vor: So in der römischen Antike, wo die Würde einen Status ausdrückt, der manche Menschen auszeichnet. Was das betrifft, ist der Würdebegriff für die Moral ungeeignet. Hinzu kommt, dass eine Fundierung der Moral in der Würde von vornherein die Tiere ausschliesst.

Wenn wir auf den Würdebegriff verzichten, was gewährt dann die moralischen Rechte?

Meine These ist, dass Rechte nicht als solche in der Wirklichkeit existieren, sei es aufgrund von Würde, sei es als Naturrechte, sondern dass wir mit dem Begriff des moralischen Rechts einfach sagen wollen, dass ein Wesen unter die moralischen Normen fällt und aufgrund dieser Normen so und so zu behandeln ist. Und das kann man dann kürzer so ausdrücken, dass es ein Recht hat, so behandelt zu werden.

Sie forschen auch im Bereich der Tierethik. Haben Menschen und Tiere dieselbe Basis für moralische Rechte?

Das heisst dann in der Tat, dass die Grundfrage, ob ein Wesen in die Moral einzubeziehen ist, ob es moralische Rechte hat, ob es durch die moralischen Normen geschützt ist, erstmal für alle, für Mensch und Tier, dieselbe ist. Ein Wesen ist dann einzubeziehen, wenn es darunter leiden kann, wie man es behandelt. Aber natürlich sind die moralischen Rechte je nach den Fähigkeiten der Wesen verschieden. Denn Tieren fehlen manche Fähigkeiten, welche Menschen besitzen, so dass sie in dieser Hinsicht nicht verletzt werden können.

Anmeldung für den Vortrag von Ursula Wolf am 12. Mai 2022 um 18.15 Uhr im Hörsaal 8.

Dieser Beitrag wurde von Philosophiestudent Toni Rasic realisiert.